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Ralph mag #2: Starke Frauen im Fernsehen

In dieser Kolumne findet unser Autor Dinge gut. In der zweiten Folge: Gut geschriebene Frauenrollen in Serien.

von Ralph Mönius

34 Jahre ist es inzwis­chen her, dass Ali­son Bechdel in ihrem Com­ic Dykes to Watch out for ihren berühmten Test für Frauen­rollen in Fil­men for­mulierte. Dieser ist so ein­fach wie effek­tiv und beste­ht aus drei Teilen: 1. Gibt es min­destens zwei Frauen­rollen? 2. Sprechen sie miteinan­der? 3. Unter­hal­ten sie sich über etwas anderes als einen Mann?

Das war 1985. Seit­dem sind zahllose neue Filme und Serien erschienen, auf die sich dieser Test anwen­den lässt und von denen immer noch ein Großteil durch­fällt. Genau deshalb—und natür­lich auch, weil es hier darum geht, Dinge zu mögen und nicht anzuprangern—will ich mir heute die Zeit nehmen, drei mein­er Mei­n­ung nach beson­ders gut geschriebene Frauen­fig­uren in Serien her­vorzuheben und dabei zu erk­lären, warum ich sie so gelun­gen finde und warum ihr sie euch vielle­icht auch ein­mal anse­hen solltet.

Fan­gen wir an! 

#1: Leslie Knope aus Parks and Recreation (NBC)

Für Ken­ner hochk­las­siger Com­e­dy-Serien ist es sicher­lich keine Über­raschung, Leslie Knope auf dieser Liste zu begeg­nen. Die Haupt­fig­ur der großar­ti­gen Mock­u­men­tary-Sit­com Parks and Recre­ation ist die stel­lvertre­tende Lei­t­erin des Amts für Parks und Erhol­ung im beschaulichen Städtchen Pawnee, Indi­ana. Ein Nie­mand also, ein kleines Räd­chen in ein­er gewalti­gen Bürokratie-Maschiner­ie, doch das ist nicht Leslies Wahrnehmung. Denn Leslie begin­nt nicht nur Emails mit den Worten “Dear Con­gress, it’s Leslie again” oder bringt spon­tane Rap-Ein­la­gen im Büro, nein, sie bewirkt tat­säch­lich etwas. Im Kleinen wie im Großen. Sie schließt Baulöch­er und lässt Parks erricht­en, sie bringt die Men­schen in ihrem Büro und in ihrer Stadt zusam­men und sie bekämpft vehe­ment die Ver­bre­itung von Büchereien. Und wie schafft sie das alles? Indem sie sich nicht entschuldigt. Genau­so wie in anderen Mock­u­men­tary-Serien wie The Office oder Mod­ern Fam­i­ly, wird in Parks and Recre­ation die Inter­view-Ein­stel­lung genutzt, in der die Fig­uren den Zuschauer direkt ansprechen und ihre Mei­n­ung zu den gezeigten Ereignis­sen kund­tun kön­nen. Und es gibt einen Punkt im Ver­lauf von Parks and Recre­ation, an dem Leslie Knope aufhört, sich für ihr Ver­hal­ten, für ihre Gedanken und Gefüh­le zu entschuldigen.

Es gibt einen Punkt im Ver­lauf von Parks and Recre­ation, an dem Leslie Knope aufhört, sich für ihr Ver­hal­ten, für ihre Gedanken und Gefüh­le zu entschuldigen.

Außer sie hat wirk­lich jeman­dem weh getan. Sie hört nicht auf, immer wieder falsch zu liegen. Sie hört nicht auf, in Fet­tnäpfchen zu treten. Sie hört auch nicht auf, sich stel­len­weise kom­plett zu blamieren. Aber sie hört auf sich zu schä­men und sich für sich zu entschuldigen. Sie stellt sich vor die Kam­era, sieht uns direkt an und ver­birgt nichts.

Die Chef-Autoren der Serie, Greg Daniels (The Office US, King of the Hill, The Simp­sons) und Michael Schur (The Office US, Brook­lyn Nine-Nine, The Good Place) erk­lärten immer wieder in Inter­views, dass sie diesen Charak­terzug nicht geplant hat­ten, son­dern dass dieser durch das großar­tige Schaus­piel von Amy Poehler zus­tande kam und ab da als ober­ster Ori­en­tierungspunkt diente, um Leslie zu schreiben. Keine Scham, keine Entschuldigun­gen, nur badass.

#2: MacKenzie McHale aus The Newsroom (HBO)

Und wenn wir schon bei Frauen sind, die sich nicht entschuldigen, kom­men wir zu ein­er, die richtig wun­der­bar unbe­quem wer­den kann. MacKen­zie McHale, meist kurz Mac genan­nt, ist auch ganz unab­hängig des Geschlecht­es eine mein­er per­sön­lichen Lieblings­fig­uren über­haupt. Denn Mac wird von Autor und Erfind­er der Serie Aaron Sorkin in eine eigentlich unmögliche Sit­u­a­tion gebracht. Sie ist Fernseh-Jour­nal­istin mit Leib und Seele, kommt ger­ade aus Afghanistan, wo sie unter anderem auch angeschossen wurde, ist aus­ge­bran­nt und bekommt dann einen Job, der wie ein Geschenk des Him­mels wirkt: Exec­u­tive Pro­duc­er bei ein­er der größten Nachricht­en-Shows des Lan­des. Prime Time. Das Prob­lem: Der Nachricht­en­sprech­er und Chef der “News Night with Will McAvoy”—Will McAvoy—ist ihr Ex-Fre­und, den sie immer noch liebt, aber so tief ver­let­zt hat, dass er so lange an seinem Ver­trag herum ver­han­delt, bis er das Recht erwirkt hat, sie am Ende jed­er einzel­nen Woche feuern zu kön­nen. Aber von solchen Kleinigkeit­en lässt sich eine MacKen­zie McHale nicht aufhal­ten, eben­so wenig wie von den unzäh­li­gen Schön­heit­en, die Will vor ihrer Nase datet, oder vom Chef der Fir­ma, der Druck macht, als sie übern­immt und die Zuschauerzahlen der Show erst ein­mal fall­en, da sie “echte Nachricht­en” daraus machen will. Nein, Mac lässt sich nicht aufhal­ten. Mac greift an. Uner­müdlich stre­it­et sie, argu­men­tiert sie und steckt sie die Schläge ein, die das Leben und die mächti­gen Män­ner um sie herum austeilen. Denn für Mac zählt nur eins: Ihre eigene jour­nal­is­tis­che Integrität.

Mac lässt sich nicht aufhal­ten. Mac greift an. Uner­müdlich stre­it­et sie, argu­men­tiert sie und steckt sie die Schläge ein, die das Leben und die mächti­gen Män­ner um sie herum austeilen. Denn für Mac zählt nur eins: Ihre eigene jour­nal­is­tis­che Integrität.

Wer das jet­zt zu kitschig find­et, wird mit den Werken von Aaron Sorkin all­ge­mein nicht viel anfan­gen kön­nen. Wer aber Mac jet­zt schon span­nend find­et, sollte sich unbe­d­ingt anse­hen, wie Emi­ly Mor­timer sie ein­er Naturge­walt gle­ich verkör­pert. Worte wer­den ihr nicht gerecht.

#3: Annie aus Easy (Netflix)

Kom­men wir zu ein­er leis­eren Fig­ur aus ein­er leis­eren Serie, in der zwar viel gesprochen wird, es aber haupt­säch­lich auf die Zwis­chen­töne ankommt. In der exzel­len­ten Net­flix-Show Easy geht es um eine lose zusam­men­hän­gende Gruppe von Men­schen in Chica­go, die mit aller­lei mod­er­nen (Beziehungs-)Problemen kon­fron­tiert wer­den. So wie Lucy und Tom in der Folge Utopia. In der lernt das junge Ehep­aar näm­lich über Sin­gle-Fre­undin Annie Tin­der ken­nen und plöt­zlich ste­ht die Frage im Raum, ob man nicht vielle­icht etwas ver­passt, so allein im Paar. Also leg­en die bei­den ein Pro­fil an und swipen fröh­lich und tre­f­fen schließlich auch online auf Annie. So kommt man sich Schritt für Schritt näher, bis es eine Verabre­dung zum Dreier gibt.

Während die Folge sich haupt­säch­lich auf Lucy und Tom fokussiert, auf deren ständi­ge Liebes­bekun­dun­gen und das Austesten ihrer Beziehung, in die nun für eine Nacht eine dritte Per­son treten soll, kann man leicht überse­hen, was für eine wun­der­bare Fig­ur einem mit Annie hier begeg­net. Annie ist Musik­lehrerin für Kinder, eine zarte, ein­fühlsame Per­son, die in den ersten Szenen kaum präsent scheint. Ihre Art, auch im Umgang mit den Eltern und ihren Fre­un­den, ist zurück­hal­tend, schon fast ein wenig scheu, was sie jedoch ablegt, sobald sie beim Mit­tagessen über ihrem Handy sitzt. Der abschätzende Blick, die schnellen Swipe-Entschei­dun­gen auf Tin­der, das hat schon beina­he etwas pro­fes­sionelles an sich. Hier blitzt weit mehr Selb­st­be­wusst­sein durch, als man dieser kleinen, schlanken Frau auf den ersten Blick zuge­traut hätte. Und so wird im Ver­lauf der Folge, in der Annäherung an das Paar, im Ver­lauf des sex­uellen Aufeinan­dertr­e­f­fens, immer klar­er, wie gekon­nt und bewusst sie ihre Zurück­hal­tung ein­set­zt, ihren “light touch”, wie man auf Englisch sagen würde. Sie schafft es, anderen Men­schen ein Gefühl von Sicher­heit zu geben, und kommt damit an ihr Ziel. Am Ende der Folge, als sie sich aus­gelebt hat, ver­schwindet sie schnell aus dem Haus, während das Paar sich noch neu ord­nen muss, ver­fliegt beina­he wie Rauch, um schließlich bei sich zu Hause weit­er auf ihrem Handy zu swipen.

Annie ist eine Fig­ur, die ganz genau weiß, wie Andere sie sehen, und das für ihre Zwecke nutzt. Auch wenn sie nicht die Haupt­fig­ur der Episode ist, so merkt man doch, dass Autor und Regis­seur Joe Swan­berg und Darstel­lerin Kate Micuc­ci sich sehr inten­siv mit Annie befasst und sie tief begrif­f­en haben. So wird sie von der klis­chee­haften grauen Maus zu einem tiefen, lebendi­gen Men­schen und ein­er großar­ti­gen Figur.

Auch wenn sie nicht die Haupt­fig­ur der Episode ist, so merkt man doch, dass Autor und Regis­seur Joe Swan­berg und Darstel­lerin Kate Micuc­ci sich sehr inten­siv mit Annie befasst und sie tief begrif­f­en haben. So wird sie von der klis­chee­haften grauen Maus zu einem tiefen, lebendi­gen Men­schen und ein­er großar­ti­gen Figur.

Und das waren sie, die drei Frauen­fig­uren, die mir nicht mehr aus dem Kopf gehen und die vielle­icht auch als Inspi­ra­tion dienen kön­nen. Denn egal ob stark oder unangepasst oder unbe­quem oder laut oder vielschichtig oder leise, es braucht immer noch deut­lich mehr inter­es­sante weib­liche Fig­uren in Fil­men und Serien, Fig­uren, die ver­al­tete Vorstel­lun­gen vom Frau-Sein und vom Men­sch-Sein auf­brechen, die uns inspiri­eren, die uns fordern, in die wir uns verlieben. 

Wenn ihr da draußen noch weit­ere Beispiele habt, die hier fehlen, lasst uns gerne einen Kom­men­tar da, oder schreibt uns auf Face­book, Insta­gram oder an ferrarsfields@web.de!

Bis näch­sten Monat, lasst euch nicht unterkriegen und hört nicht auf, Dinge zu mögen!


Bildquelle: ffmag.de


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