von Ralph Mönius
Happiness was never guaranteed, lautet die erste Zeile in Ezra Furmans neuem Album 12 Nudes und schon in den ersten Takten des Openers Calm Down aka I Should Not Be Alone lässt sich hören, dass dieser Song alles andere als glücklich ist. Das ist an sich nichts Neues, ging es doch in seinen Songs schon immer darum, dass er Außenseiter, ja sogar Ausgestoßener der Gesellschaft ist. Doch im Vergleich zu seinen letzten Veröffentlichungen ist Ezra auf 12 Nudes vor allem eines: wütend.
Doch im Vergleich zu seinen letzten Veröffentlichungen ist Ezra auf 12 Nudes vor allem eines: wütend.
Entsprechend beschränkt er die Doo-Wop und Pop Elemente seiner Musik auf ein Minimum und gibt sich ganz dem Punk hin, mit dem er schon so oft geflirtet hat. Wo das Vorgänger-Album Transangelic Exodus noch mit unendlicher Liebe zum Detail Worte und Sounds kombinierte, um eine tieftraurige, dystopische Geschichte zweier ineinander verliebter Außenseiter auf der Flucht vor einer feindseligen Gesellschaft zu erzählen, kommt 12 Nudes mit einem Faustschlag zurück, und zwar mit einem, der trifft. Kurz, hart und dreckig, genau in die Magengrube. Das Album, aufgenommen in nur wenigen Tagen in einem Rausch aus Alkohol und Zigaretten, wie Furman es selbst in Interviews erzählt, ist eine spontane Entladung von Energie, von Wut, von Enttäuschung, sowohl auf politischer als auch menschlicher Ebene. Entsprechend kommen die 11 Songs auf eine Gesamtlänge von gerade einmal 27 Minuten und kaum einer knackt die 3‑Minuten-Marke. Warum auch? Alles, was hier gesagt wird, findet sich schon auf die ein oder andere Weise in anderen Ezra-Furman-Songs, doch da wir Hörer es anscheinend immer noch nicht verstanden haben, hämmert er uns nun die wichtigsten Punkte mit rohen Gitarren, mächtigen Drums und allem, was seine Stimme hergibt in den Schädel. Hallo, hört hier endlich mal jemand zu?
Nun, wir sollten zuhören, denn Ezras Wut ist berechtigt und er steht wie immer auf der Seite des Guten: Toleranz, Akzeptanz, Liebe, dafür plädiert und betet er hier lautstark, und wenn er hart mit jemandem ins Gericht geht, dann vor allem mit sich selbst. I wasted my twenties in submission, I thought I was outside the system singt er in Evening Prayer aka Justice, mit der Erkenntnis, dass es so etwas wie ein „außerhalb“ des Systems nicht gibt, sondern dass er einfach nur unten war und sich die Reichen und Mächtigen nie für ihn und seine Botschaften interessierten. Oder weiterhin interessieren, trotz seines wachsenden Erfolgs, dem internationalen Durchbruch mit dem letzten Album und seiner Arbeit an der Netflix-Serie Sex Education, die ihn vor allem in Großbritannien zu einem Star und Idol der queeren Szene gemacht haben. Immerhin ist er noch da, resümiert er weiter, denn die meisten anderen schreienden Kids geben auf, sobald sie 23 werden. Dieses Thema setzt sich in der wunderschönen, aber auch einzigen Ballade des Albums fort, I Wanna Be Your Girlfriend, in der Ezra sinniert: All my friends are writing their resumes, all my responsible friends are applying for jobs. But me, I was considering ditching Ezra and going Esme. Baby, would you find it so odd?
Toleranz, Akzeptanz, Liebe, dafür plädiert und betet Ezra Furman auf 12 Nudes lautstark.
Es ist einer dieser Momente, der 12 Nudes zu einem Album macht, das mehr ist als Lautstärke und Wut, das menschlich ist, intim und – ja – nackt. In all seiner Frustration und Wut, durch all den Alkohol und Zigarettenrauch hat sich Ezra Furman noch nie so ungeschützt und offen präsentiert wie auf dieser Platte. Es ist ein Akt, der großen Mut erfordert und in dem vielleicht doch noch ein kleines bisschen Hoffnung liegt, trotz all der Trostlosigkeit, die ihn umgibt.
12 Nudes von Ezra Furman, veröffentlicht 2019 via Bella Union.
Bildquelle: Paul Hudson from United Kingdom, CC BY 2.0 <https://creativecommons.org/licenses/by/2.0>, via Wikimedia Commons
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