von Lisa Kämling
„Schneller, smarter, besser“ lautet das Motto unserer Zeit, in der es immer lauter, bunter und hektischer zugeht. Es ist eine Zeit, in der das Internet scheinbar auf jede Frage eine Antwort weiß und in der Herstellerindustrie kaum noch menschliches Zutun von Nöten ist, um Produkte innerhalb kürzester Zeit herzustellen. In vielerlei Hinsicht bringt dieser Fortschritt immense Arbeits- und Lebenserleichterungen mit sich. Trotzdem kann man beobachten, dass viele Menschen bewusst auf digitale Einflüsse verzichten, und so ihren Alltag entschleunigen.
Als wahrscheinlich sehr bekanntes Beispiel hierfür gilt Ed Sheeran. Der britische Singer-Songwriter verzichtete nämlich einige Zeit auf die Benutzung seines Smartphones und reiste um die Welt, ohne auch nur einen einzigen Post zu tätigen. Anschließend berichtete er, dass ihm der Verzicht sehr gut getan hätte.
Könnte es also sein, dass der Trend nach und nach wieder zum analogen Lebensstil tendiert?
Man kann speziell am Fernsehprogramm für die jüngeren Zuschauer beobachten, dass kaum noch mit Hand gezeichnete Serien ausgestrahlt werden, obwohl diese sich stets großer Beliebtheit erfreuten. Nachdem sich die Produktion animierter Filme und Serien häufte, haben diese nun den traditionellen Trickfilm-Stil nahezu gänzlich von den Bildschirmen verdrängt. Beliebte Kinderserien, wie zu Beispiel „Heidi“, „Wickie“ oder „Biene Maja“, wurden längst überholt und durch CGI-Versionen ersetzt. Auch Werbungen und Logos werden heute fast ausschließlich digital erstellt und der Briefverkehr ist durch die immer beliebter werdende E‑Mail ersetzbar geworden. So verzeichnen Statistiken, dass beispielsweise Urlaubsgrüße per Postkarte zwar nicht gänzlich aus der Mode geraten sind, doch inzwischen auch fast die Hälfte der Urlauber auf die elektronische Variante zurückgreift.
Eine Zeit lang fragte man sich sogar, ob das Buch aussterben würde, was jedoch bald, unter erleichtertem Aufatmen der Buchhändler, verneint werden konnte. Obgleich E‑Book-Anbieter und Online-Bücher mehrere Millionen Leser verzeichnen, stellen beide keine wirkliche Gefahr für das gedruckte Buch dar. Im Gegenteil – seit 2015 blühte der Buchmarkt wieder auf. Auch Fotos werden wieder öfter ausgedruckt. Besonders Sofortbildkameras, welche ein eben geschossenes Foto augenblicklich entwickeln und drucken, kommen nach und nach wieder auf. Nachdem sie eine Weile ganz vom Markt verschwunden waren, werden sie nun wieder in großer Zahl produziert. Und, man glaubt es kaum, sogar Vinylschallplatten erobern erneut den Markt. Nicht nur alte Stücke werden teilweise hoch gehandelt, sogar die Plattenproduktion kommt wieder ins Rollen und, trotz des hohen Preises, ist auch der dazugehörige Plattenspieler wieder ein beliebtes Weihnachts- oder Geburtstagsgeschenk geworden.
Nachdem die erste Begeisterung für die Möglichkeiten, welche die digitale Welt mit sich bringt, abgeklungen ist, gehen viele wieder zum analogen Leben über. Laut Medienkulturwissenschaftler Dominik Schrey klammern sich einige von ihnen bewusst an bereits überholte Moden, um der immer schneller fortschreitenden Digitalisierung zu entkommen.
Man kann also tatsächlich beobachten, dass, trotz der rapide fortschreitenden Digitalisierung, analoge Medien wieder beliebter werden. Sei es der eigenen Gesundheit oder eines Lifestyles zuliebe, weil man es mit Kindheitserinnerungen verbindet oder weil es sich ohne Smartphone, Laptop und Co einfach stressfreier lebt: Nachdem die erste Begeisterung für die Möglichkeiten, welche die digitale Welt mit sich bringt, abgeklungen ist, gehen viele wieder zum analogen Leben über. Laut Medienkulturwissenschaftler Dominik Schrey klammern sich einige von ihnen bewusst an bereits überholte Moden, um der immer schneller fortschreitenden Digitalisierung zu entkommen. Andere handeln aus nostalgisch-affektiven Gründen und folgen ihrem Bedürfnis nach historisch Bewährtem. Zwar handelt es sich dabei nur um eine Minderheit, denn mehrheitlich entscheidet man sich doch dafür, mit der Zeit und ihren Neuschöpfungen zu gehen, aber kann man durchaus erkennen, dass bereits ein Großteil der Menschen wieder den Weg zum Retro-Trend einschlägt.
Doch was macht das „Greifbare“ für uns so besonders, dass wir immer wieder darauf zurückkommen?
Auf diese Frage weiß der Haptik-Forscher Martin Grunwald eine Antwort. Er sagt: „Der Mensch ist insgesamt ein Lernorgan, das sich nicht auf einzelne Sinne reduzieren lässt”, weshalb auch der Tastsinn gefordert werden müsse. “Wir sind haptische Wesen, die ein Bedürfnis nach Interaktion mit der Umwelt haben.” Beispielsweise der Geruch eines gedruckten Buches und das Gefühl, welches man hat, wenn man mit den Fingern über die Seiten streicht stimuliert die menschlichen Sinne, was bei uns als emotionales Erlebnis aufgefasst wird. Diese emotionalen Erlebnisse können Erinnerungen hervorrufen, was vielen ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit gibt.
So ist es durchaus möglich, dass sogar der aktuelle Gesellschaftstrend der aktiven Selbstfindung und Besinnung auf den eigenen Körper den erneuten Gebrauch von längst überholten Produkten in ‚fühlbarer‘ Form begünstigt. Der haptische Reiz stellt den Bezug des eigenen Körpers zur Realität her und gibt vielen Menschen so das Gefühl der Kontrolle und Sicherheit, weshalb sie lieber auf die herkömmlichen, also analogen, Dinge zurückgreifen.
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