von Mercy Ferrars
Im folgenden Text geht es um das Berufsbild der Hebamme und ihren wertvollen Beitrag im Kampf um Frauenrechte. Die Begriffe „Frauen“ und „weiblich“ werden in diesem Kontext in Bezug auf den historischen Kampf gebärfähiger Personen angewandt. Ich vertrete die antiessentialistische Butlerische Definition von „Frauen“ als einer Gruppe von Individuen mit gemeinsamen identitätspolitischen Interessen.
„Die Hebamme erachtet das Wunder der Kindesgeburt als normal, und lässt es in Ruhe, außer, es gibt Probleme. Der Entbindungsarzt versteht die Kindesgeburt als ein Problem; wenn er es in Ruhe lässt, ist das ein Wunder.“
—Sheila Stubbs, Politikerin
Seit den frühen 90er Jahren wird jedes Jahr am 5. Mai in mehr als 50 Ländern der Internationale Tag der Hebamme gefeiert. Damit macht der Tag auf ein Berufsbild aufmerksam, welches eine lange und komplizierte Geschichte um Würdigung und Marginalisierung—also der Verdrängung an den Rand der Gesellschaft— mit sich trägt. Aber der Beruf der Hebamme ist nicht nur ein geschichtlich konnotierter. Die Hebamme ist auch eine feministische Ikone, denn in ihr und ihrer Geschichte findet der Kampf um Frauenrechte klaren Ausdruck.
Wie viele misogyne moderne Kulturphänomene war auch der Beruf der Hebamme nicht immer mit so viel Zweifel behaftet wie in der Moderne. Im frühen Mittelalter war sie ein selbstverständlicher Teil der Gesellschaft, der Frauen bei der Kindesgeburt assistierte. Frauen gebaren in ihrem eigenen Heim, und Hebammen vertraten einen starken Glauben an die Kraft des weiblichen Körpers, ein Kind auf die Welt zu bringen. Nur im Notfall griffen sie helfend ein. Die Marginalisierung der Hebammen begann im 15. Jahrhundert mit der erhöhten Kontrolle des Staates über Fertilität und Bevölkerungswachstum auf Kosten von Frauen. Während Verhütungsmittel, Abtreibungen und Kindesmord zur Todesstrafe verurteilt wurden, wurden weibliche Hebammen vom Staat aus dem nun politischen Akt der Kindesgeburt verdrängt—zu groß war das Misstrauen gegenüber Naturheilerinnen, die ihre Hände im Spiel hatten. Ihnen wurde vorgeworfen zu illegalem Kindesmord und Abtreibungen durch die Mütter beizutragen. Deshalb wurde ihre Partizipation im Geburtsprozess erst in eine passive Rolle verdrängt und schließlich völlig vom männlichen Mediziner ersetzt, welcher die Kontrolle des Staates sicherstellte. Die medizinische Profession ersetzte langsam Naturheilerinnen und Hebammen, deren Tätigkeiten schließlich als Hexenwerk abgetan wurde: im starken mittelalterlichen Glauben an Gott und Teufel zirkulierte die Überzeugung in der Gesellschaft, dass Gott durch Ärzte und der Teufel durch Heilerinnen agiere. Die Hebamme gefährdete die im Hexenwahn verfangene Katholische Kirche außerdem durch ihre starke Verbundenheit mit der Natur, welche der theologischen Überzeugung an eine übergeordnete Macht, die über Leben und Tod urteile, gegenüber stand. Der mittelalterliche Arzt hingegen besaß zwar weniger Erfahrung und praktisches Wissen als die Hebammen und Naturheilerinnen, doch durch seine vermeintlich gottverliehene Heilungsaufgabe war er in der Lage, seine Autorität durchzusetzen.
Am Internationalen Tag der Hebamme geht es um die Sichtbarmachung einer alten weiblichen Praxis, um ein Urvertrauen in die Kapazitäten des weiblichen Körpers, und um Frauenrechte. Durch Vorkämpfer*innen und Reform*innen der Pflege und Naturheilkunde hat sich der Beruf der Hebamme erneut durchgesetzt. Heute helfen sie Müttern sowohl bei Hausgeburten als auch bei der Geburt in Krankenhäusern ohne Anwesenheit von Ärzt*innen. Dabei nehmen sie eine zentrale Rolle ein und setzen auf Vertrauen und Möglichkeit statt auf Kontrolle und Problematisierung.
Quellen:
https://www.daysoftheyear.com/days/international-midwives-day
Ehrenreich, Barbara, and Deirdre English. Witches, Midwives and Nurses: A History of Women Healers. 2nd ed., The Feminist Press, 2010.
Federici, Silvia. Caliban and the Witch: Women, The Body, and Primitive Accumulation. 2nd ed., Autonomedia, 2014.

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