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Future Nostalgia

Text CLAIRE FISHER
Lektorat LARA HELENA
fOTO DONNY JIANG

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Wenn man nach der Zukun­ft fragt, kom­men die meis­ten Men­schen sofort auf Visio­nen von fliegen­den Autos oder coolen neuen Gad­gets zu sprechen. Aber es ist nicht nötig, so weit zu gehen. Wenn ich an die Zukun­ft denke, leuchtet eine Idee heller als alle anderen: Gemein­schaft. Die von Gemein­schaft geprägte Zukun­ft hat viele Facetten. Aktuelle Trends kön­nen ein san­ftes Wieder­au­fleben kom­mu­nis­tis­ch­er Ideen oder den wach­senden Ein­fluss der “Gay Agen­da” und ein­er immer vielfältigeren Bevölkerung nicht leug­nen. Die Wahrheit ist, dass durch den Auf­schwung gemein­schaftlich­er Prozesse und Ver­hal­tensweisen die Notwendigkeit staatlich­er Unter­stützung, groß angelegter Sicher­heitssys­teme oder sog­ar der Kinder­be­treu­ung langsam ver­schwindet. Die Gemein­schaft ste­ht vor der Tür, buch­stäblich und leib­haftig, und sie schöpft ihre Kraft aus der Beteili­gung aller.

Wer heutzu­tage in den sozialen Medi­en aktiv ist, hat wahrschein­lich eine Zunahme von GoFundMe-Links oder Pay­Pal- und CashApp-Kon­ten in Benutzer­pro­filen bemerkt. Ist dies eine Folge davon, dass mehr Men­schen finanzielle Hil­fe benöti­gen? Ein neuer Trend? Oder ver­trauen die Men­schen ein­fach mehr auf den Aspekt der Gemein­schaft als auf staatliche Hil­fe, wenn sie Unter­stützung brauchen? Die Zukun­ft tendiert zu Let­zterem. Infolge der zunehmenden Ver­bre­itung von Bewe­gun­gen für soziale Gerechtigkeit in den sozialen Medi­en fühlen sich immer mehr Men­schen darin bestärkt, sich auf eine Online-Gemein­schaft zu ver­lassen, die ihnen die Hil­fe bietet, die früher von staatlichen Insti­tu­tio­nen gewährt wurde. Auf dem Weg zu dem gemein­samen Ziel, die Fähigkeit, sich in Zeit­en der Not selb­st zu helfen, zu stärken, bauen wir ein stärk­eres Gemein­schafts­ge­fühl auf — sowohl online als auch offline -, auf das wir zurück­greifen kön­nen, wenn wir finanzielle Hil­fe, Schutz und Sicher­heit, Kinder­be­treu­ung oder Rat benötigen.

In der Anfangsphase der Pan­demie kamen alle, die Anspruch auf finanzielle Unter­stützung hat­ten (z. B. durch die ’stim­u­lus checks’ der Vere­inigten Staat­en oder ähn­liche Pro­gramme in anderen Län­dern), in den Genuss der zusät­zlichen Hil­fe, unab­hängig davon, ob ihr Leben­sun­ter­halt davon abhing oder nicht. Als die Schecks jedoch nicht mehr automa­tisch eingezahlt wur­den, wandten sich viele der Bedürfti­gen an die sozialen Medi­en. Das Posten von GoFundMe- oder per­sön­lichen Spenden­links ist nichts wirk­lich neues, aber die Häu­figkeit, mit der sie heutzu­tage genutzt wer­den, schon. Online-Nutzer*innen fühlen sich wohler als je zuvor, sich auf die Hil­fe ihrer gewählten Com­mu­ni­tys zu ver­lassen — und diese Hil­fe wird auch gewährt. Selb­st wenn direk­te finanzielle Unter­stützung nicht möglich ist, kann virtuelle Mund-zu-Mund-Pro­pa­gan­da eben­so viel bewirken. Das Retweet­en und Ver­bre­it­en dieser Links mit dem Ziel, den Hil­fer­uf an jeman­den weit­erzuleit­en, der über die nöti­gen Mit­tel ver­fügt, ist für den ursprünglichen Poster genau­so nüt­zlich. Außer­dem müssen diejeni­gen, die spenden, nicht über ein außergewöhn­lich hohes Einkom­men ver­fü­gen, um etwas zu bewirken — ganz im Gegen­teil. Par­al­lel zum Aufkom­men benötigter Hil­fe ler­nen Gemein­den, jeden Monat einen Teil ihres ver­füg­baren Einkom­mens (wie ger­ing auch immer) bei­seite zu leg­en, um etwas zurück­zugeben. Die Gemein­schaft trägt die Last als Ganzes, so dass es keine Rolle spielt, ob es sich um einen Betrag von 1 oder 1000 Dol­lar han­delt: es ist eine Last, die von den Schul­tern aller genom­men wird. 

Dieses Ver­trauen in die Gemein­schaft zeigt sich auch darin, wen wir auswählen, um die Sicher­heit dieser Gemein­schaften zu gewährleis­ten. Mit jed­er tragis­chen Nachricht und jedem gedruck­ten Trauer­fall wächst unsere Gle­ichgültigkeit und unser Man­gel an Empathie gegenüber den Machthaben­den. Das Wis­sen um polizeiliche Bru­tal­ität gegen Min­der­heit­en hat in den let­zten Jahren stark zugenom­men. Lei­der ist dies kein neues The­ma, wir leben ein­fach in ein­er Zeit, in der diese Infor­ma­tio­nen dank Smart­phones und sozialer Medi­en leichter zugänglich sind als je zuvor. Es ist igno­rant und völ­lig fehlgeleit­et, zu erwarten, dass sich diese Gemein­schaften in den Hän­den der­sel­ben Leute sich­er fühlen, die für die Ungerechtigkeit und den Miss­brauch, unter dem sie lei­den, ver­ant­wortlich sind. Anstatt unsere Ressourcen in fehler­hafte Rechtssys­teme zu steck­en, die nur einige wenige schützen, müssen wir den Miss­brauch unterbinden, der das Sys­tem noch immer durch­dringt. Damit sich unsere Gemein­schaften wirk­lich sich­er fühlen kön­nen, müssen sie von ihren eige­nen Bürg­ern geschützt wer­den. In Anlehnung an die rev­o­lu­tionäre sozial­is­tis­che Partei der 1960er Jahre, Black Pan­ther, sind diese Sicher­heitssys­teme nicht nur dazu da, physis­chen Schutz vor gewalt­täti­gen Bedro­hun­gen zu bieten. Sicher­heit und Sta­bil­ität gibt es in vie­len For­men, zum Beispiel durch Lebens­mit­tel­samm­lun­gen und Essen­spro­gramme. Die Kinder ein­er Gemein­schaft vor Hunger zu schützen und ihnen den Zugang zu ein­er bar­ri­ere­freien Bil­dung zu ermöglichen, indem sichergestellt wird, dass ihr Leben­sun­ter­halt nie zur Frage ste­ht, ist eine von vie­len Möglichkeit­en, wie Sicher­heit in unseren Gemein­schaften gefun­den wer­den kann.


emPFOHLENE ARTIKEL

Apro­pos Kinder. Ein afrikanis­ches Sprich­wort besagt, “Man braucht ein Dorf, um ein Kind aufzuziehen”. R&B‑Sängerin und queere Ikone Kehlani macht genau das, indem sie ihre Tochter Adeya gemein­schaftlich erzieht. Diese Def­i­n­i­tion von Gemein­schaft im Sinne von gemein­samer Eltern­schaft und der Unter­stützung aller beim Aufziehen der näch­sten Gen­er­a­tion ist etwas, das wir in Zukun­ft mit Sicher­heit häu­figer sehen wer­den. Während die jün­geren Gen­er­a­tio­nen immer weniger den Wun­sch haben, sich fortzupflanzen, tendieren diejeni­gen, die sich doch dazu entschließen, zu einem weniger kon­ser­v­a­tiv­en Erziehungsstil. Queere und Trans-Fam­i­lien, Lebens­ge­mein­schaften und Lebenspart­ner­schaften, Leih­mut­ter­schaften und polyamore Eltern set­zen neue Maßstäbe für die Art und Weise, wie wir Fam­i­lie definieren. Das Wichtig­ste ist, sich daran zu erin­nern, dass nicht die Biolo­gie eine Fam­i­lie aus­macht, son­dern Liebe und Akzeptanz.

Auch wenn Verän­derung langsam und manch­mal beängsti­gend ist, ist die Zukun­ft viel näher als wir denken. Anstelle ein­er radikalen Umkrem­pelung der derzeit­i­gen Sys­teme set­zen wir langsam Pro­gramme, Ide­olo­gien, Lebensweisen und Ver­hal­tensweisen aus, die uns nicht mehr dienen. Während wir diese Verän­derun­gen vornehmen, entschei­den wir uns jeden Tag dafür, einen radikalen Kampf zu führen, ganz gle­ich, wie banal er zu diesem Zeit­punkt erscheinen mag. Wir leben in ein­er Zeit großer his­torisch­er Verän­derun­gen, und jede*r Einzelne von uns hat die Macht und die Möglichkeit, an diesen Verän­derun­gen teilzuhaben. Ganz gle­ich, wie oder wo man sich in ein­er Gemein­schaft engagiert, gibt man den Men­schen um sich herum etwas zurück so kann man beobacht­en, wie sich der Zauber entfaltet.

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