PHILOSOPHIE

Fleisch & Fragmente III

Die Körperteil-Kolumne. Kapitel III: Das Knie

by CLARA BERLICH

Bild: Egon Schiele, Pub­lic domain, via Wiki­me­dia Commons

13/07/2023

Wir sind Kör­p­er und wir haben welche. Wir trainieren und wir essen und wir berühren. Nach Maß. Ein ganz­er Kör­p­er ist die Summe sein­er Teile. Vielle­icht mehr als das, vielle­icht weniger. Ein ganz­er Kör­p­er, das mag über­haupt eine Utopie sein. Kör­p­er sind sterblich. Der Anspruch des Kör­pers als Tem­pel endet typ­is­cher­weise in ein­er Bruch­bude. Man hätte seine Stimme bei der let­zten Wahl vielle­icht der Partei für schul­medi­zinis­che Ver­jün­gungs­forschung geben sollen. Vielle­icht wäre das ‚body pos­i­tive’ gewe­sen. Es munkelt dieser Tage allerd­ings, dass ‚body neu­tral’ völ­lig hin­re­ichend ist. Neu­tral ist gut. Neu­tral ist nicht tox­isch. Zum Beispiel: Bei Kör­p­er und Seele, da kann man auch ein­fach ganz neu­tral sein. Ver­suchen wir es also, mit Gefühl, und ganz neu­tral, und vor­sichtig, so wie man die kör­per­lichen Dinge eben ange­hen sollte. Wir tas­ten uns her­an. An die Einzel­teile, ganz los­gelöst von Ganzheitlichkeit und guter Form.

Jet­zt lesen: Fleisch & Frag­mente. Die Kör­perteil-Kolumne. Kapi­tel I: Der Fuß
Jet­zt lesen: Fleisch & Frag­mente. Die Kör­perteil-Kolumne. Kapi­tel II: Der Nacken

von den Nächten die hellste vor dem KaDeWe
die Zeitungsfrauen gehen ihren Weg der Tagesspiegel ist da
der Himmel flach und
von deinem schönen Körper das Knie”

Thomas Brasch, Was ich mir wün­sche, Auszug1

Vor ein­er Besprechung des Knies hätte ich mich eigentlich gern gedrückt. Ich habe einen unge­heuren Respekt vor dem Knie. Das Knie ist mir zu lyrisch, zu pathetisch, zu extrem. Wer sich aus der knien­den Posi­tion wieder erhebt, hat in der Zwis­chen­zeit oft tran­szen­den­tale Erfahrun­gen gemacht. Wer auf die Knie geht, ver­lobt sich, lässt sich zum*r Ritter*in schla­gen oder spricht sich mit Gott aus. Oder tut Dinge, die eine poten­zielle Ver­lobung ras­ant beschle­u­ni­gen kön­nen. In jedem Fall, Thomas Brasch set­zt das Knie auf seine Wun­schliste, und Braschs Wun­sch ist mir Befehl. Also, Vorhang auf im Kör­perteil-Kino für das men­schliche Knie. Jenes muss ich auch wenn-dann-jet­zt behan­deln, weil mein Ama­zon-Prime-Probe­abo aus­läuft und ich nur noch 48 Stun­den lang in den kosten­losen Genuss von Claires Knie komme. Und das ist immer­hin ein Film von Éric Rohmer, und es geht 105 Minuten lang um ein Knie. Um ein nack­tes, weib­lich­es Knie, genauer gesagt. 

Rohmers Film ist ein Som­mer­film, und das nack­te Knie ist ein einiger­maßen som­mer­lich­es The­ma. Soll heißen: Claires Knie ist ein gebräuntes Knie, das unter kurzen Som­merklei­dern auf ein­er Leit­er ste­ht, während Claire Obst vom Baum pflückt. Des Weit­eren han­delt Claires Knie von einem Mann, der eine Lei­den­schaft für das Knie der Tochter der Bekan­nten ein­er Fre­undin (= Claire) hegt, wie das bei Rohmer eben so vorkommt. Claire ist sehr jung, im Ver­gle­ich zum mit­te­lal­ten Pro­tag­o­nis­ten, und inter­essiert sich nicht die Bohne für ihn. Das ändert sich erst, als der Pro­tag­o­nist sich mit ihr in ein­er ein­samen Hütte ver­schanzt, sie zum Weinen bringt, und ihr unge­fragt seine Hand aufs Knie legt. 

Eine Hand auf dem Knie, das ist „als hätte ich sie besessen”, wie der Pro­tag­o­nist später im Film erk­lärt: Die Hand auf dem Knie des Mäd­chens erset­zt den eigentlichen Akt des Geschlechtsverkehrs. Dabei stellt sich die Frage, ob Rohmers Pro­tag­o­nist eine einzi­gar­tige und zufäl­lige Form von Knie-Obses­sion entwick­elt, oder ob die Men­schheit irgend­wie ein all­ge­meines Ding mit dem Knie hat. Thomas Brasch wün­scht sich schließlich auch „von deinem schö­nen Kör­p­er das Knie”. Keine Augen, keine Brüste, keinen Po, nur das Knie. Warum aus­gerech­net das Knie? Was hat ein Men­sch (oder vielle­icht: ein Mann) von einem einzi­gen Knie? 

“Ein Knie geht einsam durch die Welt.
Es ist ein Knie, sonst nichts!
Es ist kein Baum! Es ist kein Zelt!
Es ist ein Knie, sonst nichts.”

Chris­t­ian Mor­gen­stern, Das Knie, Auszug

Ein Knie aus seinem Zusam­men­hang zu lösen, das ist selt­sam. Schließlich han­delt es sich beim Knie im Wesentlichen um ein Gelenk, eine Verbindungsstelle also, an der das Bein zusam­menge­knotet und beweglich und kom­plett wird. Ein­fach nur ein Knie, das wäre ein­fach nur ein Gelenk, ein wenig wie ein­fach nur eine Brücke ohne Ufer. Allerd­ings ist uns die metapho­rische (und daher manch­mal ufer­lose) Brücke zu einem oft und gern genutzten Stilmit­tel gewor­den – vielle­icht ist das Kniege­lenk ähn­lich symbolträchtig? 

Tat­säch­lich ist das Kniege­lenk das größte Gelenk des men­schlichen Kör­pers. Weit­er­hin han­delt es sich hier um ein Getriebege­lenk, und das ist „eine Son­der­form eines trans­portablen Drehscharnierge­lenkes. Die Beu­gung set­zt sich aus Abroll- und Gleit­be­we­gung zusam­men. Im gebeugten Zus­tand ist eine Rota­tion möglich.”2 Allen, denen ger­ade beim Lesen schlecht wird, möchte ich zwei Dinge sagen. Erstens, mir auch. Und zweit­ens, wenn man mit einem Häm­merchen unter­halb der Kni­escheibe aufs gebeugte Bein haut, wird der Patel­larsehnen­re­flex aus­gelöst, und das Kniege­lenk streckt sich ganz automa­tisch! Der Reflex ist bei uns einge­baut, damit wir auf uneben­em Boden nicht umfall­en. Bitte nicht zuhause aus­pro­bieren, und falls doch, liegt die Beto­nung auf Häm­merchen.

Ele­ments Of This World, CC BY 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by/2.0, via Wiki­me­dia Commons

Wir ver­lassen uns auf unsere Knie, wenn wir laufen, sitzen, ste­hen, eigentlich immer. Das Knie kommt nahezu durchgängig zum Ein­satz, oft so lange, bis eine Prothese her­muss. Auf ihre Beziehung zum eige­nen und all­ge­meinen Knie ange­sprochen, verziehen die meis­ten mein­er Freund*innen das Gesicht. Die erste Assozi­a­tion sind Schmerzen, Über­be­las­tun­gen, Prob­leme mit dem Meniskus … den ich übri­gens ger­ade googeln muss, weil Word rot unter­stre­icht, und ich stelle fest, dass das ‚Meniskus’ heißt und nicht ‚Miniskus’, wie ich mein Leben lang geglaubt habe, ups, und naja … weit­er im Text. Als ich klein war, so unge­fähr im Grund­schu­lal­ter, bin ich nachts oft weinend vor Schmerzen aufgewacht, weil mir die Knie so weh getan haben. Das waren Wach­s­tumss­chmerzen. (Gelohnt hat sich das nicht, ich bin 1,63 cm groß.) Ich bin trau­ma­tisiert im Knie-Bere­ich. Man soll seinen Äng­sten aber irgend­wie begeg­nen, und so sehe ich meinem Knie ins Auge. Bei län­ger­er Betra­ch­tung komme ich zu fol­gen­dem Schluss: Sieht ziem­lich komisch aus. Schön? Ich weiß nicht, was ein schönes Knie von einem unschö­nen unter­schei­det. In der deutschen Über­set­zung von Har­ry Pot­ter heißt es, Har­ry habe „knubbe­lige Knie”.3 Früher habe ich mich beim Lesen gefragt, was ein „knubbe­liges” Knie sein soll. Heute denke ich, die Beschrei­bung trifft ganz gut auf meine Knie zu. Mir hat mal ein Mann ein Kom­pli­ment für meine Knie gemacht, in den bin ich heute noch ver­liebt. Lei­der hat das Kom­pli­ment nicht „Ich mag deine knubbe­li­gen Knie” gelautet, das hätte ich noch schön­er gefun­den. Im Plur­al sind es übri­gens tat­säch­lich „die Knie”, und es heißt auch „ich knie”, und das Verb lautet „knien”, ein zweites ‚e’ (knieen, Kniee, usw. usf.) kommt da über­haupt nie dran, auch wenn man es spricht. Ich will nie­man­dem etwas unter­stellen. Ich habe immer­hin zwanzig Jahre lang geglaubt, dass es einen Miniskus im Knie gibt.

Guil­laume Bod­inier, Pub­lic domain, via Wiki­me­dia Commons

‚Sich wo reinknien’, das ist gefühlt das Gegen­teil von ‚sich wo rein­le­gen’. Im ersten Fall ste­ht Arbeit, im zweit­en Fall tiefer Genuss auf dem Plan. Das kann zwar zusam­men­fall­en, tut es aber ja so sel­ten – „die Zoom Meet­ings mit meinen Kolleg*innen sind immer so leck­er, da kön­nte ich mich rein­le­gen”, hmh, nee, und eher auch nicht: „Das Him­beer­sor­bet, zum Reinknien!”. Warum eigentlich nicht? Vielle­icht, weil die kniende Posi­tion keine genussvolle oder beson­ders bequeme Posi­tion ist, aber eine nüt­zliche. Man ist da immer noch ganz beweglich, dem Boden nahe und, im Zweifels­fall, trotz­dem dem Him­mel nicht fern. Der SPIEGEL zitiert eine Studie aus den Vere­inigten Ara­bis­chen Emi­rat­en, laut der gläu­bige Mus­lime dortzu­lande viel weniger Knieprob­leme haben als „Ungläu­bige”. Die gläu­bi­gen Mus­lime sind näm­lich ver­mut­lich auf­grund des vie­len und lang­wieri­gen Betens auf angewinkel­ten Knien mobil­er, und das Gelenk wird bess­er trainiert. Lei­der finde ich im Inter­net keine Studie, die irgen­det­was darüber aus­sagt, ob es ähn­liche Unter­schiede hin­länglich der Kniemo­bil­ität zwis­chen Katholik*innen und Protestant*innen gibt. Im katholis­chen Gottes­di­enst kni­et man näm­lich dur­chaus ab und zu. In der evan­ge­lis­chen Kirche knien Gläu­bige nur bei den wichti­gen Rit­ualen, und dann meis­tens vor dem Altar, also zum Beispiel wenn man heiratet oder kon­fir­miert wird. Wenn man getauft oder beerdigt wird, muss man in bei­den Kirchen nicht knien.

Lucas van Ley­den, CC0, via Wiki­me­dia Commons

Wer gut fällt, fällt auf die Knie. Ich habe in meinem Leben ver­hält­nis­mäßig wenig Sport, aber dafür viel solchen Sport gemacht, der ‚gutes Fall­en’ trainiert. Kni­eschützer hat­te ich nur beim Inli­neskat­en an, nicht aber beim Reit­en und beim Bal­lett (obwohl meine Mut­ter die Kni­eschützer fürs Reit­en vorgeschla­gen hat). In jedem Fall: Gutes Hin­fall­en kann man ler­nen. Die erste Lek­tion ist meis­tens, dass man sich mit Hand­flächen und Knien abfan­gen, abstützen und abrollen kann. Die Posi­tion ein­er innig betenden Per­son ist also nicht weit ent­fer­nt von der Posi­tion, in der man lan­den sollte, wenn man stolpert oder vom Pferd fällt. Es ließe sich sagen: Die betende Per­son fällt frei­willig, und gefall­en wird auf die Knie. 

Willy Brandt fällt im Dezem­ber 1970 vor dem Ehren­mal für die Helden des Warschauer Ghet­tos auf die Knie. Der deutsche Bun­deskan­zler geht vor den Opfern des Holo­caust auf die Knie – ein Schuld­beken­nt­nis? Eine Bitte um Verge­bung? Die BILD titelt später: „Knien darf man nur vor Gott”, Brandts Antwort darauf, der Leg­ende nach: „Wis­sen diese Leute, vor wem ich gekni­et habe?” Tat­säch­lich find­et der Kniefall oft dann statt, wenn sich die Welt von ihrer beson­ders got­t­losen Seite zeigt. Die Amer­i­can-Foot­ball-Spiel­er Col­in Kaeper­nick, Eli Harold und Eric Reid gehen im Novem­ber 2016 im Sta­dion auf die Knie und machen damit auf Polizeige­walt gegen Schwarze Men­schen aufmerksam. 

Kei­th Alli­son from Hanover, MD, USA, CC BY-SA 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0, via Wiki­me­dia Commons

Das Knie ist nicht nur lyrisch, es ist auch poli­tisch. In voller Länge geht Mor­gen­sterns Knie-Gedicht ja eigentlich so:

“Ein Knie geht einsam durch die Welt.
Es ist ein Knie, sonst nichts!
Es ist kein Baum! Es ist kein Zelt!
Es ist ein Knie, sonst nichts. 
Im Kriege ward einmal ein Mann
Erschossen um und um.
Das Knie allein blieb unverletzt
Als wärs ein Heiligtum
Seitdem geht’s einsam durch die Welt
Es ist ein Knie, sonst nichts!
Es ist kein Baum! Es ist kein Zelt!
Es ist ein Knie, sonst nichts.”

Chris­t­ian Mor­gen­stern, Das Knie

Inspiri­ert von Mor­gen­stern erzählt Alexan­der Kluge in seinem Film Die Patri­otin vom Knie des Oberge­fre­it­en Wieland, das ein­sam durch die Welt wan­dert, fragt, ob es eigentlich ein Teil von einem Ganzen ist, und sich „als deutsches Knie vor allem für deutsche Geschichte” inter­essiert. „Wenn nichts anderes übrig ist als das, ich, das Knie, dann muss ich reden”, so das übrig gebliebene Gelenk vom Oberge­fre­it­en, und dann redet das Knie: Ein zer­stück­eltes Kör­perteil führt von zer­stück­el­tem Bild­ma­te­r­i­al begleit­et durch die zer­stück­elte deutsche Geschichte.

Jen­seits von Geschichte und Poli­tik kann man etwas trotz­dem auch zum Niederknien schön find­en. Oder weiche Knie bekom­men, weil man so ver­liebt ist. „Nee”, sagt meine Fre­undin A., „weiche Knie bekommt man, wenn man Angst hat”. „Das schließt sich ja nicht aus”, sage ich. „Hast du auch Schmetter­linge im Bauch”, fragt A., „wenn du Angst hast?” Ich denke nach, und finde schon. Vielle­icht keine Schmetter­linge, son­dern eher Schmeißfliegen, aber vom Prinzip her schon. Jeden­falls bekomme ich defin­i­tiv weiche Knie beim Küssen. Wom­it wir wieder beim The­ma wären, also beim Geschlecht-Begehren-Knie-Kom­plex. Wir haben es bis­lang mit gebeugten, lyrischen, poli­tis­chen, weichen, weib­lichen und knubbe­li­gen Knien zu tun gehabt – was macht die Knie nun in manchen Fällen so begehrenswert? Dass sie weich wer­den kön­nen? Was wiederum ja nie­mand sieht, wenn die Hosen lang genug sind. Rohmers Claire hat­te aber eben keine lan­gen Hosen an. Und der Refrain eines alten Schlagers geht so: „Ich hab dein Knie gesehn, das durfte nie geschehen”:

Ein sicht­bares Knie ist ein heik­les Knie, jeden­falls, wenn es sich um ein weib­lich­es Knie han­delt. Meine Fre­undin A. erzählt, dass ihre Mut­ter ein­mal zuhause Prügel bekam, weil sie sich eines schö­nen Som­mer­nach­mit­tags den lan­gen Rock hochge­bun­den hat­te: Die Knie waren ent­blößt, und das durfte nicht sein. Noch heute wird bisweilen debat­tiert, wie kurz ein Rock oder eine Hose sein darf, um auf der Schul­bank getra­gen zu wer­den. Ich weiß noch, dass es an mein­er Schule mal einen Lehrer gab, der sich von der som­mer­lichen Klei­dung der Mäd­chen gestört fühlte, er kon­nte sich „so ein­fach nicht konzen­tri­eren”, usw. usf. Debat­ten mit Lehrer*innen und Eltern fol­gten. Unfair ist, dass es ver­mut­lich kaum große Beach­tung gefun­den hätte, wenn ich gesagt hätte, dass ich die kurzen Hosen vom Her­rn Sowieso ein­fach viel zu aufreizend finde … Hach, Herr Sowiesos schnuck­e­lige Knie und diese stram­men Waden, wie soll ich mich da nur auf Mathe konzen­tri­eren? Eine Münch­ner­in erk­lärte mir ein­mal, man könne ein ‚echt­es’ Dirndl von der bil­li­gen oder zu mod­ern ger­ate­nen Nach­mache unter­schei­den, indem man prüft, ob der Rock über die Knie reicht. Das Knie gren­zt eine ordentliche, anständi­ge Unter­bek­lei­dung von ein­er aufreizen­den, unanständi­gen ab. Knielänge geht immer, ober­halb davon kann es schnell schwierig wer­den. Wir wis­sen ja alle, wo Beine enden, wenn man von unten nach oben guckt. Das Knie markiert eine Ein­gangsp­forte zum span­nen­den Bere­ich, eine Brücke zwis­chen dem öffentlichen und dem inti­men Bere­ich eines Körpers. 

Vielle­icht ist es auch die pathetis­che Mys­tik des Knies, die es zu einem so unwider­stehlichen Kör­perteil macht. Jeman­dem am Knie berühren heißt eben, jeman­den da berühren, wo hinge­fall­en wird, oder gebetet, oder bei­des. Ich betra­chte meine nack­ten Knie, nachts, auf dem Heimweg in der Tram, und ich denke, dass es ganz ein­fach wäre für eine der frem­den Per­so­n­en neben mir, die Hand draufzule­gen. Auf dem linken Knie habe ich einen großen blauen Fleck und keine Ahnung, wo der herkommt. Mir gegenüber sitzt eine Frau in meinem Alter, auf jedem Knie hat sie ein kleines Kind. Das Knie ist nicht nur lyrisch und poli­tisch, manch­mal kann es auch ein­fach ganz gemütlich sein.

LEKTORIERT VON Jan Kabasci.


Quellen und Fußnoten

1Brasch, Thomas (2007), Was ich mir wün­sche, in: Ders., Was ich mir wün­sche, Suhrkamp, Frank­furt am Main, S.11.
2Platzer, Wern­er (1999) (Hrsg.), Taschen­at­las der Anatomie: Band 1 Bewe­gungsap­pa­rat. 7. und voll­ständig über­ar­beit­ete Aus­gabe, Georg Thieme Ver­lag, Stuttgart, New York, S. 206 ff. 
3Bspw. hier: „Und langsam sah Har­ry in die Gesichter der anderen Men­schen im Spiegel und sah noch mehr grüne Augen­paare wie das seine (…), selb­st einen kleinen alten Mann, der aus­sah, als ob er Har­rys knubbe­lige Knie hätte – Har­ry sah zum ersten Mal in seinem Leben seine Fam­i­lie.”; Rowl­ing, J. K. (1998), Har­ry Pot­ter und der Stein der Weisen. Über­set­zt von Klaus Fritz. Carlsen Ver­lag, Ham­burg, S. 228.

Rohmer, Éric (1970): Le Genou de Claire [Film], Frankre­ich: Les Films du Losange.
Kluge, Alexan­der (1979): Die Patri­otin [Film], BRD: Kairos Film, ZDF.

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