Berlin ist eine Stadt der Gegensätze. Auch ihre Architektur ist gegensätzlich, chaotisch und dabei stets Zeitzeugnis der historischen Entwicklung von Ort und Zeit. Und von Überzeugungen, die Stadt und Bevölkerung maßgeblich prägten. Altbauten stehen zwischen unliebsamen Wohnblöcken aus den 60er Jahren; schmuckhafte Renaissance-Bauwerke wechseln sich mit avantgardistischen, geometrischen Spiegelglas-Gebäuden ab. Dazwischen zwängen sich unzählige Sozialwohnprojekte, die unter anderem von namhaften Architekten geplant wurden — beispielsweise die Gropiusstadt in Neukölln vom Berliner Architekten Martin Gropius. Alte, charmant verfallende Stadtvillen, brutalistische Gebäude aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und stalinistische DDR-Architektur runden das Bild ab.
In dieser Artikelserie macht sich unsere Autorin und Fotografin auf Tour, um drei verschiedene Stilrichtungen der Berliner Architekturgeschichte zu dokumentieren: Die zeitgenössische Architektur, den Brutalismus und die Stalinbauten.
In dieser Serie: Zeitgenössische Architektur (Teil 2)
Zu den ersten 11 zeitgenössischen Bauten geht’s hier.
TEXT / FOTO Mercy Ferrars
Kanzleramt


Das Kanzleramt in der Eurocity am Hauptbahnhof besticht durch geometrische Symmetrien und einer Synthese aus weit geöffneten hellen Außenflächen und Glasfassaden. Das postmoderne Gebäude wurde 2001 von den Berliner Architekt*innen Axel Schultes und Charlotte Frank fertiggestellt. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass das Kanzleramt rund achtmal so groß ist wie das Weiße Haus in Washington.
Station: Hauptbahnhof
Marie-Elisabeth-Lüders-Haus

Wie das Kanzleramt so befindet sich auch das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus in der Eurocity. Das Gebäude, inoffiziell auch gerne als „Waschmaschine” bezeichnet, wurde 2003 als dritter Parlamentsneubau eingeweiht. Geplant wurde es von Stephan Braunfels. Ähnlich wie das Kanzleramt setzt auch das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus auf eine Kombination aus Glasfront und hellem marmorgleichen Baumaterial, welches zugleich Stabilität sowie eine gewisse Durchdringbarkeit und Transparenz ausstrahlt. „Der im Dezember 2003 eingeweihte Neubau verdankt seinen Namen der Sozialpolitikerin und Frauenrechtlerin Marie Elisabeth Lüders”, schreibt VisitBerlin. Er beherberge unter anderem die Parlamentsbibliothek und ein öffentlich zugängliches Mauermahnmal. Entlang des ehemaligen Mauerverlaufs seien Teile der Berliner Mauer wieder aufgebaut, um der ehemaligen Teilung der Stadt zu gedenken. “Zugleich bildet das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus zusammen mit Bundeskanzleramt und Paul-Löbe-Haus das „Band des Bundes“, architektonisches Sinnbild der Deutschen Einheit.”
Station: Hauptbahnhof
Bürogebäude “Spree-Eck”

Das politische Zentrum Berlins ist eine wahre Fundgrube für moderne Architektur. Das nächste architektonische Wunder auf meiner Liste ist zwar kein Haus der Politik, aber ein imposantes Büro- und Verwaltungsgebäude mit rund 5.000 m² Fläche. Das wie so viele der modernen, am Hauptbahnhof gelegenen Bauten in den frühen Zweitausendern fertiggestellte 10-geschossige Bürogebäude stützt sich auf eine dreieckige Bauform mit verglasten Türmen und Granitverkleidung. Vom Haus blickt man unter anderem auf das Bundeskanzleramt, den Reichstag und das Paul-Löbe-Haus. Das daneben befindliche Haus der Bundespressekonferenz ist ebenso für einen Besuch zu empfehlen. Ein spannender Blick ergibt sich, wenn man direkt von der Kronprinzenbrücke auf das Gebäude zuschlendert.
Station: Hauptbahnhof
Sony Center

Das Sony Center, mit sieben Gebäuden auf 26.000 Quadratmetern, wurde im Juni 2000 eröffnet und vom Architekten Helmut Jahn entworfen. Ein Jahr lang habe ich zwischen 2017 und 2018 hier gearbeitet. Ein Jahr lang bin ich mehrmals die Woche durch den Potsdamer Platz Bahnhof in den unterirdischen Tunnel flaniert, vorbei an Souvenirständen und einem stets leeren asiatischen Schnellrestaurant. Schon an der Rolltreppe nach oben sind Kinoplakate an mir vorbeigezogen. Da ich im IMAX gejobbt habe, gehörte dieser Weg für mich irgendwie schon zum Schichtritual. Aber auch noch nach einem Jahr und einem Großteil meiner dort verbrachten Zeit verlor das Sony Center für mich nie seine Magie. Im Sony Center ist es gleichzeitig drinnen und draußen; geschützt und geöffnet; die im Center angesiedelten Gebäude sind des Abends stets in Neonlichter getaucht. Da ich eine große Vorliebe für Neon-Ästhetik pflege und ein bisschen traurig bin, dass in Deutschland nicht generell mit mehr Neon gebaut und/oder geworben wird, ist das Sony Center für mich auch immer ein Ort, an dem ich mich ein bisschen in ferne Städte träumen kann.
Station: Potsdamer Platz

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