von Esther Bartke
ACHTUNG: Diese Rezension enthält Spoiler zu Staffel 1, 2 und 3 von Haus des Geldes (La Casa de Papel).
„Diese Maske ist ein Symbol geworden.“
Der Überfall auf die spanische Banknotendruckerei aus Staffel 1 und 2 der spanischen Netflix Original Serie Haus des Geldes (La Casa de Papel) von Álex Pina endet mit einer erfolgreichen Flucht ins paradiesische Exil. Das Team des Professors (Álvaro Morte) befindet sich mittlerweile verstreut in zweier Paaren auf verschiedenen Teilen der Welt: Sicher, glücklich und reich.
Auch Rio (Miguel Herrán) und Tokio (Úrsula Corberó), die mit ihrer turbulenten Liebesgeschichte schon in den ersten beiden Staffeln die Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben, verbringen ihr neues Leben gemeinsam. Tokio nimmt die Zuschauer*Innen, wie auch zu Beginn der ersten Staffel, mit auf die Reise und erzählt aus ihrer Perspektive wie es sich zusammen mit Rio unter den Palmen lebt. Schnell wird klar, dass Tokio Strand und Geliebten gegen Stadt und Party eintauschen will. Beide beschließen weiterhin, mithilfe nicht registrierter Handys, den Kontakt zu halten. Der Start in die dritte Staffel wirkt etwas holprig. Innerhalb der ersten zehn Minuten lässt die Fokussierung auf Rio und Tokio einen Genrewechsel von Kriminalserie zu Tragik-Romanze befürchten. Jedoch bleiben ihre Telefonate nicht unentdeckt, Europol und der Geheimdienst erhalten binnen Minuten Zugriff auf Rios Standort. Auf die romantischen Szenen am Strand folgt eine Verfolgungsjagd und die Verhaftung Rios. Tokio wendet sich hilfesuchend an den Professor, welcher in kürzester Zeit das gesamte Team zusammen ruft um sein Rettungsmanöver vorzustellen. Der Überfall auf die spanische Zentralbank soll Rio aus seiner Gefangenschaft befreien.

Von hier an treffen die Zuschauer*Innen auf vertraute und neue Gesichter. Unter ihnen auch Lissabon (Itziar Ituño), Inspectora der vorangegangenen Staffeln und nun Partnerin des Professors. Die Offenbarung dieser Beziehung fühlt sich an wie ein unangenehmes Familientreffen bei dem der Vater seine neue Freundin vorstellt und niemand so recht weiß, was mensch sagen soll. Nach anfänglichen Schwierigkeiten und der Frage nach Vertrauen, macht sich ein bekanntes und familiäres Gefühl bei der Zusammenkunft des alten Teams breit. Selbst Berlín (Pedro Alonso), der Bruder des Professors, trägt wieder maßgeblich zum Raubüberfall mit bei.
Arturo (Enrique Arce), der wohl unbeliebteste Lieblingscharakter der Serie, erhält ebenfalls seine verdiente Screentime und schafft es wieder seine Wenigkeit mitten ins Geschehen zu drängeln. Außerdem sorgt Alicia Sierra (Najwa Nimri) als neue gefühlskalte und hochschwangere Ermittlerin für einen Kampf auf Augenhöhe gegen den Professor. Hier beweist die spanische Erfolgsserie, dass das Überkommen von Stereotypen nicht nur möglich ist, sondern auch zum Erfolg einer Serie beiträgt.
Ein dauerhafter Spannungsbogen zieht sich durch die komplette Staffel bis zum Ende der letzten Folge und schließt somit ohne Enttäuschung an die ersten beiden Staffeln an. Immer wieder laufen geplante Vorgänge außer Kontrolle und es kommen Plan B oder C zum Einsatz. Zum Spannungsaufbau tragen stetige Schnitte in die Vergangenheit, insbesondere in brenzlichen Situationen, bei. Außerdem werden dadurch wichtige Insights über Charaktere und den geplanten Überfall offengelegt.
Die Konflikte und Beziehungen zwischen den Charakteren unterscheidet La Casa de Papel von anderen Kriminalserien. Die Rolle des Helden ist nicht auf eine Person konzentriert. Obwohl Tokio die heimliche Protagonistin zu sein scheint, fehlt es ihren Mitstreiter*Innen nicht an Komplexität. Die Metaebenen der Serie bestehen aus einer Vielzahl an Konflikten, die es zu bewältigen gilt. Der Professor mit seinen Dalís bildet hierbei den offensichtlichen Gegenpart zur Polizei und dem Staat. Daran geknüpft findet sich der Aufstand und das wachsende politische Bewusstsein der Bürger*Innen Spaniens, welche die Macht des Staates zu hinterfragen beginnen. Auch innerhalb der Wahlfamilie des Professors werden politische Konflikte angesprochen und teilweise ausgehandelt. Schon in Staffel 1 kritisieren Tokio und Nairobi (Alba Flores) die niedrige Frauenquote innerhalb des Teams. Staffel 3 geht noch konkreter auf Sexismus und Rassismus ein. So haben beispielsweise Palermo (Rodrigo De la Serna) und Bogotá (Hovik Keuchkerian) Probleme mit Frauen in Führungspositionen. Denver (Jaime Lorente) sieht seine Freundin Stockholm (Esther Acebo) vor allem als Mutter, während er von ihr auf seine Vaterrolle aufmerksam gemacht werden muss. Nairobi muss sich mit rassistischen Äußerungen einer Geisel rumschlagen und dazu noch die Auswirkungen toxischer Männlichkeit abfangen.
Nicht zuletzt spielen die inneren Konflikte der einzelnen Charaktere eine entscheidende Rolle. Rio scheint über sich hinaus zu wachsen, während Tokio sich ihr toxisches Verhalten nur mühsam eingestehen kann. Besonders aber der innere Konflikt des Professors prägt die dritte Staffel. Im Laufe der Zeit weicht er von seinen eignen Regeln und Prinzipien zurück, an denen er sonst so verbissen festhält und sie als Weg zum Erfolg manifestiert. Diese 180-Grad-Wendung könnte zum Scheitern des Plans führen.
Álex Pina legt seinen Fokus auf die Emotionen der Charaktere. Ihre Beziehungen zueinander und die inneren Konflikte, welche die Figuren menschlich sowie des Vorhaben teilweise unmöglich wirken lassen, unterschiedet sie von so mancher mainstream Hollywood-Produktion. Auch cinematographisch wird der Blick der Zuschauer*Innen immer wieder durch Halbnahe-Kameraeinstellungen auf die Emotionen der Protagonist*Innen gelenkt.
La Casa de Papel hinterfragt soziale und politische Machtstrukturen und stellt dabei Zuschauer*Innen immer wieder vor moralische Konflikte.
Bildquelle: pexels
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